E-Mobilität: Mehr Fördermittel und weniger Bürokratie gefordert
Ohne einen schnelleren Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur wird die Mobilitätswende in Hessen nicht gelingen. Menschen laden ihre Elektrofahrzeuge bevorzugt dort, wo sie länger stehen – und damit hauptsächlich zu Hause oder am Arbeitsplatz. Doch gerade im privaten Bereich gibt es noch ein großes ungenutztes Potential, wie eine aktuelle Umfrage des Verbandes der Immobilienverwalter Hessen (VDIVH) ergeben hat. „Als die drei größten Schwierigkeiten sahen die Mitgliedsunternehmen bei ihren bisherigen Projekten technische Hürden wie die fehlende Netzkapazität und den Brandschutz in den Tiefgaragen an, aber auch in Zeiten des Handwerkermangels die Suche nach einem geeigneten ausführenden Unternehmen“, erklärt Werner Merkel, Vorstandsvorsitzender des VDIVH. So seien hinsichtlich der Schwierigkeiten hinsichtlich des Brandschutzes insbesondere Bestandstiefgaragen älterer Baujahre betroffen.
„Besonders oft scheitert eine Installation an zu hohen Kosten, aber auch an dem fehlenden Interesse der Mieter beziehungsweise der Eigentümer.“ Gegenüber der hessischen Landesregierung und den Verantwortlichen im Bund fordert der Verband die Schaffung neuer und leicht zugänglicher Förderprogramme. „Außerdem sind die bestehenden Programme auf ihre Bürokratie-Intensivität hin zu prüfen und zu vereinfachen. Die komplexe Förderlandschaft muss transparenter werden und die Förderquoten deutlich attraktiver“, so Merkel.
Rund drei Viertel der befragten Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) gaben an, dass nur bis zu zehn Prozent der von ihnen verwalteten Stellplätze über eine private Ladeinfrastruktur (Wallbox, Ladesäule) verfügen. Über ein Viertel hat noch gar keine solche Ladeinfrastruktur. Und auch nächstes Jahr wird sich diese Situation kaum verbessern: Nach Einschätzung der überwiegenden Mehrheit der teilnehmenden Mitgliedsunternehmen werden im Bereich der WEG-Verwaltung bis Ende 2025 weiterhin nur bis zu zehn Prozent der Stellplätze angeschlossen sein.
Der VDIVH hat seine Mitglieder nach den rechtlichen Rahmenbedingungen und deren Effekte auf die Ausbaugeschwindigkeit bei der Ladeinfrastruktur gefragt – mit ernüchterndem Ergebnis: Die Wirkung von Rechtsansprüchen (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG; § 554 Abs. 1 S. 1 BGB), welchen Wohnungseigentümern und Mietern einen Anspruch auf Gestattung des Einbaus einer Lademöglichkeit verschafft, bleibt laut Einschätzung des VDIVH hinter den Erwartungen zurück. 60 Prozent der befragten WEG-Verwalter gaben an, dass der Rechtsanspruch, wonach „angemessene“ bauliche Veränderungen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge „dienen“, von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt werden dürfen, nicht dazu geführt hat, dass sich der Ausbau privater Ladeinfrastruktur beschleunigt hat.
Und auch der Rechtsanspruch, wonach der Mieter verlangen kann, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, führte laut Einschätzung von 87 Prozent der teilnehmenden Mietverwalter nicht zu einer Beschleunigung des Ausbaus von Lademöglichkeiten. Werner Merkel: „Dies beweist, dass der Rechtsanspruch allein kein Gamechanger sein kann. Wenn der Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur gelingen soll, müssen neben den gesetzlichen auch die politischen Rahmenbedingungen stimmig sein.“
Bürokratiedschungel: Schulnote 5 plus für Bundes- und Landespolitik
Hinsichtlich der Übersichtlichkeit und Bürokratiearmut der Förderlandschaft rund um die E-Mobilität stellen die Verwalter der Bundes- und der Landespolitik ein schlechtes Zeugnis aus: Die Befragten gaben die Schulnote 5 plus. Und dies, obwohl deutliche Mehrheiten der Umfrageteilnehmer davon ausgehen, dass attraktive Förderprogramme für Gemeinschaften der Wohnungseigentümer (rund 58 Prozent), aber auch für Miet- und Zinshäuser (62 Prozent) ausschlagend dafür sind, ob eine Ladeinfrastruktur installiert wird. Die Mehrheit der Mitgliedsunternehmen erwartet ab einer Förderquote von 30 bis 50 Prozent einen positiven Einfluss auf die Entscheidung pro Ladeinfrastruktur. Da in Mehrfamilienhäusern oftmals größere Eingriffe nötig sind, um das Laden mehrerer E-Fahrzeuge nutzerfreundlich (u.a. Lastmanagement-System) und sicher (Brandschutz) zu gestalten, erachtet es die überwältigende Mehrheit von 70 Prozent für notwendig, dass derartige Kosten künftig auch vermehrt förderfähig werden. Je nach Gebäudealter und räumlichen Gegebenheiten vor Ort können für die Nachrüstung der Gebäude-Netzinfrastruktur zum Teil erhebliche Kosten für die Eigentümer entstehen. Eine Investitionskostenförderung durch das Land Hessen könnte im Transformationsprozess des hessischen Gebäudebestandes wichtige Anreize setzen.
Werner Merkel stellt fest: „Wenn die Elektromobilität in Hessen vorangetrieben werden soll, muss eine stärkere Unterstützung des Landes im Bereich der Finanzierbarkeit solcher Vorhaben erfolgen, sei es durch Förderprogramme und Erleichterungen regulatorischer Art, beispielsweise über die hessische Bauordnung. Entscheidungen schließlich, die der Gesetzgeber auf nationaler Ebene treffen muss, kann und muss das Land Hessen über den Bundesrat aktiv mit beeinflussen.“
Abschließend begrüßt der VDIVH, dass der stockende Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur jüngst mittels einer Kleinen Anfrage (Drs. 21/487) durch die FDP-Fraktion an die schwarz-rote Landesregierung um den zuständigen Minister für Wirtschaft, Energie, Wohnen und ländlichen Raum, Kaweh Mansoori, auf die Agenda des Hessischen Landtages gesetzt wurde. Die Umfrageergebnisse beruhen auf Antworten und Einschätzungen von Immobilienverwaltern aus ganz Hessen. Der Umfragezeitraum erstreckte sich vom 18. März bis zum 07. April 2024.